Tuning Medikamentenwirkung – kurzfristig

Ursprünglich erschienen Mittwoch, den 24. August 2011 um 16:26 Uhr, zuletzt aktualisiert 31.1.2018 (kleine sprachliche Anpassungen)


„Höre auf die Signale Deines eigenen Körpers.“ Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich ist es sogar essentiell, die Ratschläge von Medizinern und Pharmazeuten einzuholen und zu beherzigen. Sie sind es schließlich, die uns den Weg weisen – und das ist gut so! Allerdings sollte man die Signale des eigenen Körpers ebensowenig mißachten.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen Hinweise darauf geben, an welchen Stellen man die Wirkung optimieren könnte. Aber für all diese Berichte gilt: Ob diese auf Sie zutreffen, können nur Sie selbst – gemeinsam mit Ihrem Arzt und Apotheker –  beantworten.

Wir unterscheiden zwischen der langfristigen Wirkung – wieviele Jahre kann ein Medikament überhaupt wirken? – und dem kurzfristigen Effekt – wieviele Stunden am Tag wirken die Tabletten? wie schnell nach Einnahme erfolgt das Anfluten?

Langfristiges Wirkungstuning werde ich in einem separaten Beitrag erörtern. Im folgenden werden kurzfristige Effekte besprochen. Dabei gehe ich von meiner eigenen Situation aus: das ist die Kombination aus L-Dopa, Dopaminagonisten sowie MAO- und COMT-Hemmern.

Steigerung der kurzfristigen Wirkung

 

 

Welches Getränk wird zur Einnahme verwendet?

Am besten ist es, normales Wasser zu nehmen. Es enthält keine störenden Inhaltsstoffe.

Nicht nehmen sollte man Grapefruitsaft (das gilt wohl generell für fast alle Medikamente: Wikipedia über Wechselwirkungen). Und ebenso ist Milch nicht geeignet, weil die enthaltenen Proteine mit dem Dopamin um Zugang in die Blutbahn konkurrieren.

Und was geschieht, wenn gerade kein Getränk zur Verfügung steht (z.B. weil der Wasserverbrauch bei einer langen Wanderung höher war als gedacht, weil gerade keine Toilette in der Nähe ist (und man nichts mehr sonst hat))?  Damit das gar nicht erst passiert, sollte man IMMER eine kleine Wassermenge mit sich führen. Aber die Erfahrung lehrt: Trotzdem geschieht es immer mal wieder. Was kann man dann noch tun? – Essen! Manchmal lässt sich Essen etwas leichter transportieren als Flüssigkeiten. Mein Favorit sind Gummibärchen. Bis auf den heissen Hochsommer, in dem sie schmelzen können, sind diese zum Transport in großen oder in kleinen Mengen sehr gut geeignet.

Übrigens: Auch „nachgeschüttetes“ Getränk hilft gelegentlich. War aufgrund leeren Magens einmal die Medikamentenwirkung schlecht, so half das nachträgliche Einnehmen eines Getränkes. Deshalb übrigens auch „Vorsicht!“: Nicht voreilig hochdosieren, weil die Medikamentenwirkung nicht so schnell eintritt wie sonst (bzw. erhofft) – lieber erst einmal „Nachspülen“ und dann abwarten.

 

Welche Wechselwirkungen bestehen mit dem Essen?

Das scheint mir ein ganz interessanter Punkt zu sein.

Zunächst das „Lehrbuch“ – sprich: der Beipackzettel. L-Dopa sollte man nicht mit Essen kombinieren – s.o. den Hinweis auf den Proteinwettbewerb.

Also sollte man das L-Dopa mindestens eine halbe Stunde vor oder frühestens 2 Stunden nach dem Essen nehmen.

Bei Agonisten gilt wohl dagegen: Diese scheinen unabhängig von den Mahlzeiten zu sein. Es spielt also keine Rolle, ob man sie vor, während oder nach dem Essen nimmt.

Hier möchte ich allerdings widersprechen – jedenfalls bezogen auf mich als Patienten.

Ich hatte nämlich folgende Erlebnisse. Einmal vergass ich das Mittagessen, ging nachmittags zum Einkaufen und – hatte starke Mühe, wieder wegzukommen, denn ich war fast völlig unbeweglich.

An einem anderen Tag war es genau andersherum: Zum Mittagessen gab es mein Leibgericht – Spaghetti Bolognese (wer mag das nicht?). Ich habe eine sehr große Menge gegessen. Am Nachmittag dieses Tages habe ich mich so wohlgefühlt wie selten zuvor.

In der Folgezeit habe ich dies wiederholt ausprobiert. Immer mit Erfolg!

Der Effekt scheint auf folgendem Sachverhalt zu basieren: Nahrung mit vielen Kohlehydraten (Reis, Nudeln, Kartoffeln) sorgt offensichtlich dafür, dass der Blutzuckerspiegel auf ein recht hohes Niveau kommt –  und dabei verharrt.

Davon profitiert anscheinend auch der Übergang des Medikamentes ins Blut – und damit der Parkinson-Patient. Als ich dies einmal verstanden hatte, war es Zeit für Experimente – welches Essen, wann, wie? Ich konnte bei mir selbst feststellen, dass dieser Effekt mehrfach am Tag wirken kann. Wenn ich zum Beispiel nachmittags L-Dopa nehme und eine halbe Stunde später etwas esse, setzt die Wirkung schneller ein – weil der Agonist aufgrund der eingenommenen Mahlzeit schneller anflutet.

Ganz wichtig ist der Vormittag: Nach dem Aufstehen nehme ich die ganze Batterie meiner Medikation. Ziemlich genau eine halbe Stunde später frühstücke ich. Am besten gehen Grießbrei, Milchreis, Vollkornbrot. Dann dauert es zwar etwas länger, bis das ganze Paket wirkt, aber die Wirkung hält dafür umso länger an.

 

Verbindung mit dem Schlaf

Je besser ich schlafe, desto besser wirken die Medikamente bei mir.

Wie komme ich zu gutem Schlaf? Indem ich die Nachtration an Medikamenten entweder ganz weglasse oder jedenfalls deutlich reduziere. Warum? Weil mich die Tabletten dann nicht so stark aufputschen.

Man darf sich nichts vormachen: Dopamin ist ein Glückshormon – dessen Einnahme macht uns also euphorisch. Wir bilden uns ein, Bäume ausreißen zu können.Bei mir war allerdings die Euphorie eine zeitlang so groß, dass ich nachts überhaupt nicht mehr schlafen konnte. Also fuhr ich die Medikation für die Nacht herunter. Und seitdem schlafe ich sehr viel besser. Und das wiederum hilft mir deutlich am Tag.

Wenn ich aber nachts nicht schlafen kann, hilft ein kurzer Mittagsschlaf sehr deutlich – man kann also „nachholen“ (den Schlaf – nicht Medikation). Deshalb sollte man jede Schlafgelegenheit nutzen, nicht aber die Müdigkeit vor sich her schieben.

 

Einnahmefrequenz und -dosierung

Ja, es macht einen Unterschied, ob ich 3 x 2 oder 2 x 3 Tabletten nehme.

Offensichtlich brauche ich einen gewissen „Grundpegel“ an L-Dopa, um überhaupt zu funktionieren. Wenn ich öfter kleine Dosen nehme, erreiche ich den Schwellenwert nicht oder nur gerade so. Ich bleibe schwer beweglich.

Je nach Tablettenstärke kann es Sinn machen, in „Halbtabletten“ zu denken. Eine 100 mg-L-Dopa-Tablette bewirkt bei mir bereits recht starke Überbewegungen. Ich nehme deshalb über den Tag verteilt jeweils Halbtabletten, also 50 mg-Einheiten. Eine Ausnahme bildet die allererste Tagesdosis: Hier nehme ich eine ganze Tablette, um überhaupt den Schwellenwert zu erreichen, der mich zum „Funktionieren“ bringt.

Wenn man also die Gesamtdosis von 6 Tabletten oder 12 Halbtabletten nehmen soll, so kommen folgende Stückelungsvarianten in Betracht (allesamt ausgedrückt in Volltabletten, Halbtabletten sind mit 0,5 benannt). Diese Aufzählung ist NICHT vollständig:

  • 3 x 2
  • 2 x 3
  • 6 x 1
  • 1 x 6
  • 2 – 1 – 1 – 1 – 1
  • 3 x 0,5 – 1 – 1 – 1 – 3 x 0,5
  • 3 x 0,5 – 1 – 1 – 1 – 1 -0,5

Anders ausgedrückt: Man sollte sich davon frei machen zu glauben, dass Medikamente nur gleichverteilt genommen werden können. Sowohl die Aufteilung der Zeitintervalle als auch die Verteilung der Medikamentenmengen können durchaus schwanken.

Übrigens gibt es bei L-Dopa sogar Vierteltabletten. Die kleinste so dosierbare Einheit  scheint es beim Präparat isicom zu geben: 25 mg (ein Viertel einer Tablette mit 100 mg Wirkstoff).

Und: Wir denken hier gerade über Tabletten nach. Aber es gibt bekanntermaßen auch andere Darreichungsformen, für die solche Überlegungen nicht nur übertragen, sondern erweitert werden können: Pflaster und Pumpensysteme lassen sich zum Beispiel stoppen (temporär oder auch längerfristig).  Das gibt weitere Optionen.