Späte Stadien

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 17.12.2009 auf dem Vorgängerdomain. Zuletzt aktualisiert am 24.06.2016.

Können wir Aussagen dazu machen, wie sich die Krankheit im weiteren Verlauf entwickelt? Jeder Fall ist anders. Deshalb ist das sehr schwer. Und es ist nicht allgemeingültig.

Einiges kann man aus den Fragen der Neurologen schließen. Daneben gibt es Erfahrungsberichte sowie „Tipps und Tricks“. Zum weiteren Verlauf lässt sich daraus einiges herauslesen.

Zunächst einmal zu den ärztlichen Fragen einige Beispiele dafür sind wie folgt:

  • Können Sie ohne Zuhilfenahme der Arme bzw. der Hände aufstehen?
  • Können Sie sich im Bett drehen?
  • Sind Sie schon einmal hingefallen beziehungsweise wie oft fallen Sie?
  • Haben Sie schon einmal in die Hose gemacht?
  • Können Sie auf einem Bein stehen?
  • Haben Sie Halluzinationen (Anmerkung: dies wäre nicht durch die Krankheit ausgelöst, sondern durch die Medikamente)?
  • Wie schätzen Sie Ihr Gehvermögen ein?
  • Haben Sie Albträume?
  • Haben Sie Krämpfe?

Und die nachfolgenden Beispiele sind Tipps aus Erfahrungsbüchern.

  • Nutzen Sie Beleuchtungsmittel mit Bewegungsmeldern. Auf diese Weise können sie auf Lichtschalter verzichten
  • Stellen Sie die Möbel so auf, dass es klare „Gehwege“ zwischen Ihnen gibt. Achten Sie darauf, dass es entlang der „Wege“ genügend Möglichkeiten gibt, sich an den Möbeln festzuhalten. Und umgekehrt: Lassen Sie dort keine Gegenstände stehen, die als Hindernis wirken könnten.
  • Montieren Sie Stützstangen am Bett, im Bad, in der Dusche.
  • Kleben Sie die Schlüssellöcher im Bad zu, so dass man sich nicht aus Versehen selbst einschließt.
  • Kaufen Sie Plastikmaterial zum Bedecken von Matratzen für nächtliche Inkontinenz.
  • Nutzen Sie Einrichtungen wie zum Beispiel Babyphon-Systeme oder Kameras zur Überwachung des nächtlichen Schlafes des Parkinson-Patienten
  • Nutzen Sie Bettwäsche aus Satin anstelle von Baumwolle. In dieser fällt es etwas leichter, sich im Bett umzudrehen.
  • Befestigen sie das Seifenstück im Bad an einer Schnur, so dass es leicht aufgehoben werden kann, wenn es aus der Hand fällt.
  • Benutzen Sie Kleidung möglichst ohne Knöpfe, möglichst leicht abzustreifen, mit befestigten elastischen Bändern, anstelle von Gürteln oder unelastischem Material
  • Kommunizieren Sie auch mit den Augen, schauen Sie Ihren Gesprächspartner an. Machen Sie ausreichend viele Pausen, um sich von der Anstrengung zu erholen
  • Nutzen Sie Telefone mit technischen Hilfsmitteln (vergrößerte Tasten, Lautsprecheransage der gewählten Nummern etc.).
  • Führen Sie selbstklebende, vorgedruckte Adress-Aufkleber mit sich. Auf diese Weise müssen sie Ihre Anschrift nicht schreiben.
  • Fragen Sie in Ihrer Bibliothek nach Hörbüchern.
  • Tipps Personen mit Schwierigkeiten in folgenden Kategorien: Beschwerden, Schwierigkeiten zu kauen, Probleme beim Halten des Bestecks, Schwierigkeiten beim Gehen.
  • Nutzen Sie einen Gehstock.

Die Totallähmung

Zu Beginn der Krankheit treten typischerweise Lähmungserscheinungen auf. Die Beweglichkeit einer Körperhälfte ist stark eingeschränkt. Zum Beispiel schwingt der Arm beim Gehen nicht mit.

Dies ist anfänglich nicht weiter tragisch, denn viele Bewegungen können durch die andere Körperhälfte  kompensiert werden. So kann man zum Beispiel mit der linken Hand Kaffeetassen greifen, wenn man es vorher mit der rechten gemacht hat.

Allerdings gibt es viele Bewegungen, bei denen man beide Arme und Hände benötigt. Dazu gehören viele feinmotorische Abläufe – und es gehört zum klassischen Bild, dass Parkinson-Kranke genau solche nur noch mühevoll beherrschen:

  • Knöpfe schließen
  • Schnürsenkel binden
  • Krawatten knoten

Was macht diese Tätigkeiten so problematisch? Nun, es ist das erforderliche Umgreifen, das man als Gesunder beherrscht. Das geht bei einem Parkinson-Kranken nicht mehr, weil sich in der Hand deutliche Unbeweglichkeit bemerkbar macht.

Schleichend vermindert sich im Zeitablauf die Beweglichkeit weiter. Irgendwann kommt der Moment fast totalen Lähmung: man kann die Hand, den Arm, den Fuß, das Bein praktisch gar nicht mehr bewegen.

Dazu einige Beispielsituationen, die ich einmal während einer Medikamentenumstellung erlebt habe:

  • Ich wollte eines abends vom Zug auf die S-Bahn umsteigen – aber ich kam vom Bahnsteig nicht weg.
  • Ich wollte die Milch aus dem Kühlschrank nehmen – das klappte auch. Aber ich konnte mich nicht zum Küchentisch umdrehen.
  • Ich wollte mich anziehen. Aber alleine das Hochziehen der Unterhose dauerte 30 Minuten (ja!).
  • Ich wollte meine Medikamentenbox aus der Hosentasche nehmen, aber ich bekam meine Hand kaum hinein und später nur in Zeitlupe wieder raus.

Manche Erscheinungen werden nicht durch die Krankheit ausgelöst, sondern sind Nebenwirkungen der Medikamente. Diese Wirkung zeigt sich auch im folgenden Erfahrungsberichtsauszug.

Quelle:  www.curado.de/Betroffenen-Erfahrungsbericht-13533

Namen entstellt, um eine Zuordnung unmöglich zu machen.

Der nachfolgende Auszug entstammt einem viel längeren Artikel mit dem Titel „20 Jahre Parkinson – und noch immer Optimist“

Die Wende

Völlig überraschend hatte ich plötzlich schlimme Wachträume. Ich sah vor der Terrassentür drohende Gestalten, lief auf den Flur und rief die arme Inge um Hilfe. Ich träumte, ich hätte mich im Rollstuhl im Garten verirrt und sei durch die Kanalisation von einer Party in Amselberg geflüchtet. Ich fühlte mich von allen Nachbarn beobachtet, rief sie teils nachts an. Einmal stand ein starker Mann vor meinem Bett und bedrohte mich. Ich nahm mein verschüchtertes Kätzchen in den Arm und rief die Polizei um Hilfe. Die kam, fand niemanden und zog wieder ab. Ein zweites Mal rief ich sie um Hilfe, ich hatte den Schatten eines Strauches am Gartentor für eine Gestalt gehalten. Hinzu kam eine neue Not: Ich stürzte dauernd, vorwiegend vom Sessel mit voller Wucht wie von magischer Kraft angezogen zu Boden und zog mir schwere Verletzungen zu. Die Stürze besserten sich auch nach Anbinden mit einem Gurt am Sessel nicht. Träume und Stürze hörten jedoch schlagartig auf als ich ein Medikament. Cabasirol – wegließ. Am 10.03.2001 stürzte ich auf den Ellenbogen. Die Folge: Eine tiefe Wunde bis auf den Knochen, der monatelang nicht zuheilte, täglich neu von Schwestern verbunden werden musste. Ostersonntag des gleichen Jahres wurde ich operiert. Eine zweite Operation erfolgte ambulant. Völlig deprimiert war ich, als ich mich in meiner Hilflosigkeit, aber ohne medizinischen Grund, ein zweites Mal ins Krankenhaus begab, von Kaburgs gefahren. Nach vier Tagen war ich wieder zu Hause. Kristin kümmerte sich in dieser Zeit geradezu aufopfernd um mich, war bei Untersuchungen zur Stelle. Auch Ernst und Lara halfen mit ihrem Dabeisein. Tim stürzte mich in zusätzliche Not – er beantragte just während des Klinikaufenthalts telefonisch beim Amtsgericht meine Entmündigung. Ich verließ sofort das Krankenhaus und verfasste meine Schutzschrift. Tags darauf bekam ich einen Termin. Der Antrag wurde abgewiesen. Jahrelang gab es bis auf zwei Besuche in Paulsdorf mit Vorwürfen mangelnder Beaufsichtigung seines Seesackes keine Kontakte. Erst im Januar 2003 wurde das Verhältnis wieder normal. Im Frühjahr 2001 verließ mich Ingrid samt Kätzchen. Sie wollte einen gesunden Mann. Die schöne Zeit mit ihr, in der ich mich geborgen fühlte, war vorbei.

Allgemeine, weitere Berichte von Betroffenen und Angehörigen findet man hier: Leserberichte zu Parkinson. Es ist die  größte Sammlung von spontan geschriebenen Berichten, die ich kenne.