Späte Stadien (10) – Zittern

Fast immer wenn ich Parkinson beschreibe erwähne ich das von James Parkinson verfasste Papier The shaking palsy („Schüttellähmung“). Dann erläutere ich ein wenig die Lähmungserscheinungen und außerdem das Zittern (= „Schütteln“). In der Regel ist entweder das eine oder das andere Hauptsymptom. Aber erst im Laufe der Jahre tritt das jeweils andere hinzu.

Ich selbst hatte anfänglich nur Lähmung. Zittern gab es nur in der rechten Hand bei starker Belastung (zum Beispiel bei einem sehr, sehr kräftigen Händedruck).

Das ist seit circa zwei Monaten anders. Ich zittere nun auch, wenn beispielsweise eine L-Dopa-Tablette seit mehr als einer Stunde überfällig ist. Das Zittern ist bisher nur sehr leicht. Es umfasst den ganzen Körper, wird aber primär manifest durch leichtes Zähneklappern und Vibration der Hände. Sobald ich die Tablette dann eingenommen habe, dauert es nicht mehr lang bis zum Verschwinden des Tremors, wie das Zittern auch genannt wird

Bei mir begann es also mit Lähmungen. Es hat mehr als 15 Jahre gedauert, bis zusätzlich Zittern in nennenswertem Umfang aufgetreten ist. Dies bestätigt einmal mehr den Satz, dass jeder seinen eigenen, individuellen Parkinson hat. Denn Zittern ist sicherlich das oft zuerst genannte Symptom, mit dem Parkinson assoziiert wird.

Ich frage mich, was es für einen Unterschied macht, ob man mit Lähmungen oder mit Zittern beginnt. Mir scheinen Lähmungen für Außenstehende deutlich schwerer wahrnehmbar zu sein. Und das gilt erst recht, wenn sie durch die Medikation über weite Strecken des Tages im Zaum gehalten werden. Somit ist ein lähmungs-orientierter Parkinson in der Anfangsphase vermutlich leichter kaschierbar als einer, der mit Zittern beginnt.

Außerdem kann einen das Zittern eher menschenscheu werden lassen. Denn es wird leicht fehlinterpretiert – insbesondere dann, wenn man nichts über die Parkinson-Erkrankung weiß.. Man hält es für Schwäche, Nervosität, Unsicherheit, Frieren, Trunkenheit. Und wer geht schon gerne aus dem Haus in dem Gefühl, diese Attribute werden ihm zugeordnet. .

Kann man etwas tun, um das Zittern zu vermeiden oder wenigstens nicht stark werden zu lassen? Das ist wohl schwer. Manche Aktivitäten kann man auf die andere, schwächere Seite verlagern. Obwohl ich Rechtshänder bin, führe ich die Computermaus bereits seit Jahren mit der linken Hand (bei mir war das allerdings eine Maßnahme gegen Lähmungserscheinungen). Ähnlich ist es mit dem Halten des Suppenlöffels oder des Trinkglases – auch deshalb, weil gerade Flüssigkeiten sehr verräterisch sein können.. Die Hände sind wohl die kritischste Stelle, weil in ihnen das Zittern oft zuerst manifest wird – und weil die Hände selbst zu den eher beachteten Körperteilen zählen.

Zittert der ganze Körper, kann man versuchen, sich festzuhalten, zum Beispiel am Stuhl. Allerdings darf man die freigesetzten Kräfte, die den Körper erbeben lassen, nicht unterschätzen. Mir hilft es manchmal, mich eine Weile aufs Bett zu legen – der Körper findet dort viel Halt, und man kommt etwas zur Ruhe, was ebenfalls hilfreich ist. Freilich tritt gerade bei Parkinson das Zittern auch im Ruhezustand auf. Das macht es umso schwieriger, es zu verbergen.

Als Therapie kommt die Tiefe-Hirnstimulation in Betracht. Außerdem scheint es aber inzwischen auch eine weniger invasive Variante zu geben: Die Behandlung mit fokussiertem Ultraschall. Aber Vorsicht: Trotz Anwendung von außen gibt es eine Schädigung von Hirnzellen und daraus resultierend Irreversibilität. Außerdem Nebenwirkungen. Hinweise dazu im zweiten, hier gleich genannten Bericht.

Reversibilität bedeutet, dass sich eine Maßnahme wieder ungeschehen machen lassen kann. Sind Gehirnzellen gestorben ist dies nicht so ohne weiteres der Fall. Anders als dieses Ultraschallverfahren gilt eine THS als reversibel. Bei erfolgreicher Operation ist sie das auch. Daneben gibt es aber ein Durchführungsrisiko. Dabei könnten Schädigungen auftreten, die ggf. nicht mehr zu reparieren wären. Allerdings ist dieses Risiko nicht größer als bei anderen Operationen auch.

Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Hier ist der Link zum spannenden Bericht dazu (2/2020): https://healthcare-in-europe.com/de/news/essentiellen-parkinson-tremor-mit-ultraschall-behandeln.html#

Ein weiterer Bericht – ebenso interessant – dazu findet sich hier (7/2018): https://healthcare-in-europe.com/de/news/mrgfus-mit-fokussiertem-ultraschall-gegen-den-tremor.html

Die genaue Bezeichnung ist ein Zungenbrecher – aber wie Sie wissen bin ich der Auffassung, dass man es wenigstens einmal mit vollem Namen gesehen bzw. gehört haben muss (das ist wie beim Sprachtraining – wenn auch nicht so schön wie mit meinem Favoriten, dem Zauberlehrling): MRgFUS – Magnetresonanzgesteuerter fokussierter Ultraschall.

Man merkt es sich leicht, wenn man sich überlegt, was es bedeutet. Die Magnetresonanztomographie ist ein bildgebendes Verfahren. Damit wird diese Behandlung gesteuert. Die Bilder des Hirns zeigen, an welchen Stellen die Zielregionen liegen. Das ist die Steuerung. Der Ultraschall muss auf diese gebündelt werden – das ist die Fokussierung. Warum das „F“ in der Abkürzung groß geschrieben ist, erschließt sich mir nicht – aber geschenkt.

Die Wissenschaft wird immer besser.