Späte Stadien (13) – Beginn der Abhängigkeit von anderen

In dieser Serie versuche ich – bekanntermaßen -, die Entwicklung der Parkinson-Erkrankung nachzuzeichnen. Dabei suche ich nach markanten Änderungen, die ich dann hier dokumentiere.

Heute komme ich auf einen besonders signifikanten Punkt: Den beginnenden Verlust der Unabhängigkeit.

Die meisten Menschen sind in ihrem Tun autonom. Sie gehen Einkaufen, wenn ihnen danach gelüstet. Sie essen und trinken, was, wann und soviel sie wollen.

Mit Parkinson kommt aber im Laufe der Jahre irgendwann der Zeitpunkt, ab dem das nicht mehr so ohne weiteres möglich ist. In Phasen der Schwerbeweglichkeit muss man mit dem Einkauf, dem Essen oder dem Trinken zunächst warten.

Der Übergang in die Hilflosigkeit beginnt ganz klein. Ein verschobener Einkauf ist heute meist unproblematisch (nur noch ältere Menschen kennen in Deutschland das einstmalige Ladenschlussgesetz).

Im Zeitablauf aber werden diese kleinen Einschränkungen häufiger. Sie werden größer. Und sie fressen einen immer größeren Anteil des Tages.

Wenn man keine längere Strecke mehr laufen kann, ist man vielleicht auf das Auto angewiesen, um einkaufen zu können. Wenn man sogar auch noch zu denen gehört, bei denen das Fahren nicht mehr möglich ist, braucht man zusätzlich noch jemanden, der einen fährt. Oder jemanden, der gleich selbst die Einkäufe erledigt.

Auch noch elementarere Gegebenheiten kommen irgendwann dran: Zähneputzen, Waschen, Umziehen etc. gehen nicht mehr zu jedem Zeitpunkt, zum Beispiel nicht im Off, bevor man zu Bett geht.

Das markiert ungefähr den Zeitpunkt, ab dem man prüfen kann, ob man berechtigt ist, Pflegeleistungen zu erhalten. Denn genau nach solchen Aspekten wird bei der Pflegeversicherung geprüft: Welche alltäglichen Dinge gehen nicht mehr beziehungsweise nur noch mit der Hilfe anderer?

Dies kann die verschiedensten Bereiche treffen. Und für viele gibt es Hilfsangebote. Das geht vom An- und Auskleiden über das Einkaufen oder die Durchführung von Behördengängen bis hin zur Hilfe bei Benutzung der Toilette.

So wird die Pflegeversicherung zu einer wichtigen Stütze, die diese Situationen abfedern kann.

So toll die Pflegeversicherung aber auch sein mag: Eins bleibt ungelöst. Das ist die mentale Verarbeitung der Tatsache, dass zahlreiche Tätigkeiten, die man vor einiger Zeit noch mühelos bewältigen konnte, nun nicht mehr gehen sollen.

Mein „Lieblingsbeispiel“ dafür ist immer das Drehen im Bett. Eine vermeintliche Banalität. Kann das so schwer sein? Oh ja – es kann! Ich weiß, dass das schwer vorstellbar ist. Aber es ist richtig: Die Verwendung von Bettwäsche aus Satin ist besser als etwa Biber, weil die Reibung bei Satin kleiner ist.

Das Beispiel zeigt, wie riesig der Unterschied zwischen „Können“ und „Nicht-Können“ ist. Und bleiben wir beim Bett: Auch eine Bettdecke kann zu „schwer“ sein, um sie hochzuheben. So wird das morgendliche Aufstehen zur Nagelprobe, ob es gelingt, den eigenen Körper zunächst von der Decke zu befreien und sich dann aus dem Bett hinaus zu winden.

Dies macht allen Beteiligten bewusst, wie stark die Einschränkungen sind, die der Parkinson-Patient bereits hat oder noch bekommen wird. Wenn man nun als Parkinson-Patient alleine wohnt, sollte man sich überlegen, wie die benötigte Hilfe beschafft und bezahlt werden kann. Wohnt man dagegen mit anderen zusammen, sollte man sich (gemeinsam) mit der Frage befassen, bis zu welchem Zeitpunkt die Einschränkungen noch tragbar sind.

In Abhängigkeit von den Ergebnissen dieser Gedankengänge sollte man seinen Blick auf denkbare Wohnformen lenken. Ist die Unterbringung in einem Pflegeheim sinnvoll und machbar? Gibt es andere Formen der Hilfe wie zum Beispiel die Sozialdienste?

Und es geht noch einen Schritt weiter: Wer soll für einen die Interessen wahrnehmen gegenüber Gesundheitseinrichtungen, Behörden, Banken, Versicherungen etc.? Auch hierfür muss eine Lösung gefunden werden.

Ist all das bei Parkinson anders als bei anderen Erkrankungen oder – auch das gibt es ja – im Falle, man sei gesund? Ja! Denn Parkinson ist bekanntermaßen eine „Teilzeiterkrankung“. Man hat also immer wieder Zeiten, in denen es einem gut geht. Das wiegt einen in Sicherheit. Und die ist trügerisch. Denn der Zeitraum des Übergangs vom selbstständigen Zustand in einen der größeren Hilflosigkeit ist kürzer und er kommt schneller als man denkt.

Es ist wie bei einem Flugzeug im Landeanflug: Wenn die Passagiere über Lautsprecher informiert werden, muss der Pilot schon längst alles erforderliche wissen. Seien Sie ein vorausschauender Pilot!

Empfehlungen dieses Artikels

  • Beobachten Sie Ihr Leistungsvermögen genau. Und betrachten Sie auch, was nicht mehr geht.
  • Befassen Sie sich rechtzeitig mit der Pflegeversicherung. Ein Pflegegrad von 1 schon bringt etwas Geld, mit dem Sie Unterstützungsleistungen finanzieren können.
  • Überlegen Sie, mit wem, wo und wie Sie wohnen wollen.
  • Sprechen Sie mit Ihrer Familie, Angehörigen und engen Freunden darüber, wo Grenzen sind. Nicht alles ist jedem zumutbar.