Gendern mildert die Diskriminierung nicht, sondern fördert sie.
Immer wieder erlebe ich Bekannte, die begonnen haben, in ihrer Kommunikation zu gendern. Es schüttelt mich. Denn es ist ein aktiver Beitrag für mehr Frauendiskriminierung. Das ist genau das Gegenteil dessen, was erreicht werden sollte.
Viele lehnen das Gendern ab, weil es lästig ist. Das ist nicht falsch, aber es trifft nicht den Kern. Viel problematischer ist, dass es Leser oder Zuhörer nötigt, überhaupt erst den Gedanken zu fassen, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei Einschätzung eines Sachverhaltes geben könnte.
Grundlagen
Der Anglizismus „gendern“ bedeutet, dass man explizit beide Geschlechter (männlich und weiblich, feminin und maskulin) in seinen Äußerungen verwendet. So eröffnet man viele Reden und Briefe mit „sehr geehrte Damen und Herren“. Das ist die Anrede der Zuhörer bzw. der Leser – und auch sinnvoll.
Aber nun geht es über die Anrede hinaus:
- Die Studentinnen und Studenten genießen das Sommerwetter.
- Die Schülerinnen und Schüler müssen schwere Prüfungen bestehen.
- Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert.
- Zu den Aufgaben des Hausmeisters und der Hausmeisterin gehört auch die Kontrolle, ob die Schüler und Schülerinnen alle Lampen ausgemacht haben.
- Asiaten und Asiatinnen zeigen oft ein freundliches Lächeln.
Wenn wir auch Tiere berücksichtigen, erklingen Sätze wie
- Nachts sind alle Katzen und Kater grau.
- Hunde und Hündinnen, die bellen, beißen nicht.
- Hähne und Hennen krähen bei Sonnenaufgang.
Und es gibt Fälle komplexerer Natur.
- Die Vertreter und Vertreterinnen der Aktionäre und Aktionärinnen buhten die anwesenden Mitglieder des Vorstandes aus. (Nein, es heißt nicht „Mitgliederinnen und Mitglieder“.)
- Professorinnen und Professoren der Wirtschaftswissenschaften nahmen gemeinsam mit den Dozentinnen und Dozenten der Informatik den Studentinnen und Studenten der Wirtschaftsinformatik die Prüfungen ab.
Also: Alle konzedieren eine Verhunzung unserer Sprache. Aber für mehr Gleichberechtigung würde man das hinnehmen.
Grammatikalisches Geschlecht hat nichts mit der Realität zu tun.
Wir sagen: „das Weib“. – Aber was könnte weiblicher sein als das? Es handelt sich doch um die Inkarnation des Weiblichen..
Das grammatikalische Geschlecht sagt uns nichts über die Realität. Der Hass, aber die Wut – es gibt keine Logik dahinter.
Auch über die europäischen Sprachen hinweg ist es in der Regel so, dass man mühsam lernen muss, was das grammatikalische Geschlecht ist. Es lässt sich nicht herleiten. Im Deutschen ist die Sonne weiblich, im Französischen ist le soleil männlich.
Unser Denken
Nun kommen wir zur Frage der gleichen Rechte.. Stellen wir uns den Leiter eines großen Unternehmens vor, der einen Bewerber oder eine Bewerberin einstellen will.
Nein, ich muss es anders sagen: Stellen wir uns die Leiter*in eines großen Unternehmens vor, die einen Bewerber*in einstellen will..
Nein, auch das war falsch. Richtig wäre: Stellen wir uns die/den Leiter*in eines großen Unternehmens vor, die/der einen Bewerber*in einstellen will..
Sollte die Leiter*in in ihrem Auswahlprozess das Geschlecht des Bewerbers besser kennen oder nicht kennen, damit es diskriminierungsfrei zugeht? (Oh, ich vergaß „… oder der Bewerberin“ und ich verzichtete auf die/der.).
Wenn die Leiter*in des Unternehmens das Geschlecht kennt, könnte sie die weiblichen Bewerber (besser kurz: „die Bewerberinnen“) mit der Überlegung benachteiligen, dass diese schwanger werden könnten.
Also scheint es besser, das Geschlecht der Bewerber*innen nicht zu kennen. Man sollte also die Anrede, den Vornamen und alle sonstigen Bezüge auf das Geschlecht aus den Bewerbungsmappen tilgen, bevor diese der Unternehmensleiter+in vorgelegt werden.
Nun haben wir also intensiv nachgedacht, wie wir vermeiden, dass Frauen einen Nachteil bei Einstellung haben, weil sie schwanger werden können.. Und das „Beste“, das uns einfällt, ist das Vorenthalten von Daten.
Das ist natürlich barer Unsinn. Denn wir alle wissen, dass es in jedem Bewerbungsverfahren irgendwann zu einer einer persönlichen Vorstellung kommt.
Und was haben diese Ausführungen mit Psychologie, also unserer Kognition, zu tun?
Ist Ihnen aufgefallen, dass der Gedanke über die Schwangerschaft gar nicht unbedingt passt? Ein männlicher Bewerber mit einer schwangeren Frau könnte ebenso Vaterschaftsurlaub beantragen oder z.B. durch Probleme in der Schwangerschaft in Mitleidenschaft gezogen werden.
Also ist vielleicht das junge Alter das Problem? Aber auch das ist es nicht. Ältere Arbeitnehmer unterliegen z.B. dem Risiko, dass deren Eltern Pflegefälle werden, die betreuungsintensiv sind oder werden können.
All dies zeigt: Gendern lenkt unsere Aufmerksamkeit auf eine Form potentieller Diskriminierung – die nach Geschlecht. Aber sie blendet andere Formen der Schlechterstellung aus (hier die nach Alter). Das Gendern bringt uns gewissermaßen erst auf die Idee zu diskriminieren.
Früher konnte man sagen: „Ich hatte gute Lehrer.“ – und da waren selbstverständlich und unterschiedslos Männer und Frauen mit umfasst. Und man kam gar nicht auf die Idee, es könnten nicht alle gemeint sein.
Heute soll man – nach Logik des Genderns – sagen: „Ich hatte gute Lehrerinnen und Lehrer.“ Und in Gedanken entsteht sogleich die Folgefrage: „Und gab es Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen?“
Wenn jemand sagt: „Ich hatte gute alte und junge Lehrer.“, löst das ebenso die Frage nach einem Folgesatz aus, ob es einen Unterschied zwischen alten und jungen gegeben hätte..
Will man über die Güte der Lehrer allgemein sprechen oder über die Unterschiede zwischen den Lehrergenerationen?
Ein anderes Beispiel: Beim Lotto 6 aus 49 wird das Verfahren der Mischung der Kugeln (vor deren Ziehung) geändert:: Statt in einem Behälter alle Kugeln zu mischen werden die Kugeln aufgeteilt nach geraden und ungeraden.. Diese werden separat gemischt , dann in den Behälter gegeben, aus dem sie gezogen werden. Würden Sie dann nicht auch fragen, warum zunächst getrennt gemischt wurde?
Gendern zwingt uns, über potentielle Unterschiede der Geschlechter nachzudenken – und zwar ständig. Das nimmt dem Urheber einer Kommunikation die Entscheidung ab – und den Urheberinnen ebenso. Oder ist es bei denen anders?
Zusammenfassung
Gendern verhunzt die Sprache. Es zwingt Autoren und Leser (oder Sprecher und Zuhörer) dazu, sich mit Geschlechterfragen auch dann zu beschäftigen, wenn dies völlig sachfremd ist. Und es ist grammatikalisch unsinnig.
Auch ich bin der Auffassung, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter noch weit entfernt ist. Und ich finde es richtig dafür zu kämpfen, dass sich das ändert – aber der Weg über die Sprache ist der falsche dafür.
„Hier schreibt jeder, wie er will, und das führt zu Chaos.“ Bringt man dieses Satz in gegenderte Form, ergibt das: „Hier schreibt jede und jeder wie sie oder er will, ….“
Lesen Sie diesen Satz einmal laut. Brauchen wir diese Verkomplizierung eines einfachen Sachverhaltes? Müssen wir auch noch diskutieren, wie viele Personen betroffen sind?