Kommt ein Löffel geflogen – und der Kartoffelbrei gleich mit

Manchmal frage ich mich, ob ich nicht doch als Artist tauge. Als Messerwerfer? Als Clown?

Wir sitzen beim Mittagessen. 4 Personen an einem quadratischen Tisch. Ich häufe gerade etwas Kartoffelbrei auf meinen Löffel. Da schnippen meine Finger. Der Löffel trifft auf mein Gegenüber. Die Speise landet im Gesicht der rechts von mir sitzenden Person.

Wir brechen in schallendes Gelächter aus. So eine Glanzleistung: Mit einem „Wurf“ zwei Leute treffen.

Ich bin mal wieder im Überbewegungsmodus. Diesmal mit ein paar Zuckungen. Manchmal ist es viel stärker. Dann wackelt man, was das Zeug hält.

Ich versuche dann meistens, Dinge zu tun, die ohnehin Bewegung benötigen oder unangenehm sind. Von ersterer Sorte ist z.B. Sport. Von letzterer z.B. Aufräumarbeiten.

Aber man muss vorsichtig sein. Z.B. ist das Ausräumen der Geschirrspülmaschine nur manchmal eine geeignete Alternative. Denn – oh Wunder – das Geschirr klappert. Außerdem muss ich beim Einräumen der Teller in den Schrank manchmal bewusst innehalten und sehr gezielt den Schwung einsetzen, um keine Scherbenhaufen zu produzieren.

Und während mir das mit den nach vorne gerichteten Armen dann manchmal so gelingt, passiert es mir, dass ich nach hinten trete – vollkommen unbewusst. Wenn man mich kennt, macht man dann Platz und einen großen Bogen um mich herum. Und trotzdem will man in meiner Nähe sein, denn wenn ich mit einem Stapel Teller am tänzeln bin, sieht das manchmal komisch aus.

Und auch wenn ich das Thema hier nun durch den Kakao ziehe, ist es trotzdem bitterernst. Denn Überbewegungen sind anstrengend. Und sie tragen zur Isolation bei. Denn man möchte so in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden.

 

Auslöser von Überbewegungen

Viele glauben, sie entstünden durch eine zu große Menge L-Dopa. Das ist wohl auch die primäre Ursache. Aber auch ein zuviel an Agonist kann sie auslösen. Und gleiches gilt für Inhibitoren: Ich musste meine Tasmar-Dosis (Tasmar ist ein recht bekannter und gerne eingesetzter COMT-Hemmer) von früheren drei Tabletten am Tag auf eine reduzieren, um nicht übermäßig zu zittern und überbeweglich zu sein.

Bei mir selbst beobachte ich immer wieder, dass Überbewegungen vor allem so entstehen können:

  • Ich habe eine zu große Menge an Medikation im Körper (z.B. L-Dopa). Dies kann insbesondere dann entstehen, wenn ich mich in der Dosis mal geirrt habe. Das ist ganz selten, kann aber gelegentlich passieren. (Bei angenommenen 10 Jahren Erkrankungsdauer und 5 Tabletten am Tag sind das schon 365 x 10 x 5, also mehr als 15.000 Tabletten – da kann man sich durchaus mal irren oder vergreifen.) Bei mir dürfen in einer Zeiteinheit von circa 3 Stunden nicht mehr als 200 mg L-Dopa Wirkung zeitigen.
  • Die Eintrittsgeschwindigkeit ist zu hoch.  Die Zufuhr darf bei mir nicht höher sein als 150 mg L-Dopa pro Stunde.
  • Die Medikamentendosis ist eigentlich in Ordnung, aber ich werde nervös.

Wenn es mir gelingt, die Zuführung unterhalb dieser Schwellwerte zu halten und auch sonst kein Grund zu Nervosität besteht, bin ich in der Regel frei von Überbewegungen.

Mit der Einschätzung muss man allerdings vorsichtig sein. Denn wie bereits oben beschrieben, ist man sich der Überbewegung gar nicht bewusst.

Mit der beschriebenen Systematik kann man das Thema jedenfalls recht lange im Zaum halten.

 

Denkbare Gegenmaßnahmen

Was kann man aber tun, wenn es nun einmal doch passiert ist?

Anfänglich dachte ich noch, dass man sich ja nur irgendwo festhalten müsse. Ich begann, meine Arme oder Beine mit Stühlen zu verknoten. Aber egal wie, es funktioniert einfach nicht. Die durch das Dopamin verursachte Kraft ist sehr stark – zum einen. Zum anderen vibriert und zittert der gesamte Körper dermaßen stark, dass an ein ruhiges Festhalten nicht zu denken ist.

Das beste ist wohl das, was ich oben bereits beschrieben habe: Wenn man in starke Überbewegungen verfällt, ist das eine gute Gelegenheit für Aktivitäten, die ohnehin Bewegung erfordern. Das sind Wanderungen, Läufe und jede Art von Sport. Auch das lange aufgeschobene Wegräumen von Getränkekisten, Rechen von Laub, Umräumen von Büchern, Verrücken von Möbelstücken etc. sind geeignete Tätigkeiten.

Ja, und wenn es ganz, ganz schlimm kommt? Dann gibt es einen Notnagel, den ich pro Jahr vielleicht dreimal einsetze. Das ist sozusagen das Gegenstück zur Einnahme einer Madopar LT, wenn man einmal schnell der Unbeweglichkeit entfliehen muss.

Sie können die Wirkung einer Tablette praktisch sofort fast vollständig sofort zerstören, wenn Sie Alkohol trinken.

Bei mir funktioniert das mit einem halben Schnapsglas griechischem Ouzo. Es stoppt die Schüttelei binnen weniger Minuten.

Aber bevor Sie das nachahmen,

  • prüfen Sie mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die sie haben,
  • bedenken Sie, dass der Alkohol sie möglicherweise in die totale Unbeweglichkeit stürzen könnte,
  • überlegen Sie noch dreimal, ob Sie die Erlösung wirklich so dringend brauchen.

Ich wünsche Ihnen damit nun eine möglichst ruckelfreie Zeit.