Späte Stadien (7) – Parkinson am Lebensende
Nachstehender Text ist ein Auszug privater Notizen, die zwischen Sam und mir (Bernd) ausgetauscht wurden. Der Vater von Sam litt in seinen letzten Lebensjahren auch an Parkinson. Sam hat ihn in dieser Zeit pflegerisch betreut. Davon erzählte er in einem Forum.
Die Geschichte von Sam und seinem Vater fand ich sehr beeindruckend. Ich habe Sam deshalb einige Folgefragen gestellt, die ich auch bereitwillig beantwortet bekam. Es entstand der Gedanke, dies auch breiter öffentlich zu machen. Denn es gibt nicht allzuviele Beispiele, in denen Parkinson vor dem Lebensende beschrieben wird.
Sams Vater litt allerdings an mehreren Erkrankungen, Insofern ist die Erzählung aus Sicht eines Parkinson-Interessierten etwas „verwässert“. Aber so ist das Leben nun einmal. Oft verschwimmen im Alter die Symptome mehrerer Leiden und der Nebenwirkungen der Medikamente miteinander. Allerdings fielen einige der Erkrankungen im Zeitablauf weg – während sich der Parkinson verstärkte.
Dies soll als Vorrede genügen. Die Geschichte ist im folgenden Schriftwechsel beschrieben..
Wir benutzen als grobe Struktur die folgenden Phasen
- Vor Diagnose
- Nach Diagnose (Morbus Parkinson)
- Nach Absetzen der Medikation
- Kurz vor Eintritt des Todesfalls
- Tod
Die medizinische Geschichte meines Vaters
Hallo Bernd,
danke für den Fragenkatalog. Werde mich gleich dransetzen. Öffentlich machen kann man das sehr gerne, denn es ist vielleicht auch gute Information für andere. Ich möchte aber dazusagen, dass ich selber kein Arzt oder Wissenschaftler bin der über die Krankheit, Medikamente, Nebenwirkungen etc. keine fachliche Auskunft geben kann, sondern einfach nur das schreiben kann, was eigene Erfahrungen, Beobachtungen und die Aussagen meines Vaters waren.
Alter meines Vaters damals ca. 55-65 Jahre
Bemerkt hatte die Krankheit zuerst meine Mutter, die natürlich jeden Tag mit ihm zu tun hatte und bis ich später wieder zurück ins Elternhaus gezogen bin. Als meine Mutter lange davor einmal angedeutet hat, dass es vielleicht Parkinson ist, hatte ich das erstmal selbst ausgeschlagen, bzw. nicht glauben wollen.
Die ersten Symptome waren stetig Abgeschlagen, müde und erschöpfte Zustände meines Vaters. Begleitet auch von jahrelangen Muskelschmerzen in den Beinen/ Schultern/ Nackenbereich (Steifheit, Rheuma-artig), teilweise Schlafstörungen (ging immer auch sehr spät zu Bett) und Depressionen/ Angstzustände, hoher Blutdruck, Magengeschwüre, Nierensteine.
Wir führten das eigentlich mehr auf seine handwerklichen Tätigkeiten zurück (war selbständiger Handwerker) und es hat damals natürlich keiner MP dahinter vermutet.
Alter ca. 65 -75 Jahre
Wurden die Symptome heftiger. Starke Depressionen, teilweise mit Weinkrämpfen die zwar kurzfristig waren und schnell wieder aufhörten, jedoch wurden die Abstände kürzer (teilweise 2-3x pro Woche). Konzentrationsmangel, war auch schnell gereizt/ verärgert, Stur – auf seine Meinung bestehenden.
Hinzu kamen nun Beschwerden mit dem Blutdruck (meist zu hoch), so dass der Hausarzt eine Untersuchung bei einem Kardiologen ansetzte. Der Befund hier: Verengung Blutgefäße. Es wurden in einer OP dementsprechend Stenze gesetzt (ich denke es waren 2) und ASS (Blutverdünner) verordnet die er täglich nehmen musste.
Damit erhoffte sich der Arzt, dass die Durchblutung sichergestellt ist, der allgemeine Zustand (Abgeschlafftheit/ Blutdruckprobleme) sich wiedereinstellt.
Dazu möchte ich sagen, dass die Diagnose eine Fehldiagnose war. Er rauchte sein Leben lang nicht und trank auch kaum Alkohol. Die Ernährung war eigentlich ausgewogen, jedoch war er immer leicht Übergewichtig, aber nicht dick. Offenbar werden Kreislauf/Herzprobleme erstmal so behandelt (vor allem im Alter) und in Wahrheit zeichnen sich schon die ersten MP Zeichen ab. Ärzte sollten hier viel sensibler reagieren und richtige Diagnosen stellen!
Nach der OP und der Narkose bemerkten wir aber damals schon, dass sich sein Zustand nun leicht verschlechterte. Die Abgeschlafftheit war immer noch zu erkennen, also keine Verbesserung. Damals gingen wir davon aus, dass sich eine Demenz einstellen könnte.
Jetzt ging jedoch alles irgendwie Schlag auf Schlag: Es wurden noch Probleme mit der Prostata diagnostiziert. Also riet ich meinem Vater, das sofort machen zu lassen um im weiteren Alter damit noch mehr Belastung und Probleme zu bekommen.
Auch hier fuhr er alleine ins Krankenhaus, parkte seinen Wagen dort und unterzog sich der OP, die auch erfolgreich war. Jedoch stellte sich kurz danach auch Inkontinenz ein, die so eine OP nach sich zieht. Deswegen ging es dann auch bald mit den Urologen weiter.
Alter meines Vaters 75 -78
Nach der Prostata OP bemerkten wir weiter, dass sich sein Zustand änderte. Depression waren weiterhin stark vorhanden, vermehrten sich aber nicht. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass durch die erneute Narkose sich die Demenz verstärkte. Er hatte immer ein gutes Langzeitgedächtnis und was früher einmal war, jedoch was im Moment passierte, erinnerte er sich eine Stunde später kaum mehr. Verpflichtungen/ Termine einzuhalten waren kaum mehr möglich, da er die Uhrzeiten nur noch schwer auf die Reihe bekam. Als er in München einmal mit dem Auto unterwegs war, fand er den Weg nicht mehr. Meine Tante rief an, dass mein Vater überfällig war sie abzuholen. Ich setzte mich ins Auto und beging mich auf die Suche nach meinem Vater und fuhr die Strecke ab.
Ich fand meinen Vater dann vor dem Haus meiner Tante und er erinnerte sich nicht mehr an das Haus in dem sie wohnte, obwohl er da über 30 Jahre lang jedes Wochenende hingefahren war Die Strecke konnte er sicherlich im Dunkeln und ohne Licht fahren. Jetzt versuchte ich meinen Vater nach Hause zu lotsen, forderte ihn auf, hinter mir herzufahren. Ich bog links ab, er bog rechts ab und war wieder verschwunden.
Trotzdem kam er gut eine Stunde später sicher zu Hause an. Jedoch war es das mit Autofahren und riet meinem Vater nicht mehr ins Auto zu steigen. Da war er einsichtig und es gab deswegen auch keine Diskussionen mehr.
Jetzt wurde meiner Mutter und auch mir das ganze unheimlich. Wir setzten alle Dokumente auf (Pflege/Verfügungen etc.) und mein Vater unterschrieb.
Auch jetzt wurde weitere Maßnahmen geplant: Als erstes wurde sofort der Hausarzt meines Vaters gewechselt und wir waren beim Hausarzt der Mutter vorstellig geworden und der auch mehr Vertrauen von unserer Seite hatte.
Da meine Mutter den Verdacht Parkinson äußerte, stimmte der Arzt hier zu und es wurde ein CT des Gehirns angesetzt. Der behandelte Arzt dort bemerkte mit den Ergebnissen des CT nur folgendes: In Ihrem Gehirn ist ganz schön was los!
Die Diagnose war gegeben. Ein Neurologe wurde hinzugezogen der alle notwendigen Medikamente ansetzte. Das waren unter anderem mit den vom Hausarzt verordneten:
- Rivastigmin/ Exelon TTS 9,5mg 1x täglich/ morgens (Pflaster) – hiermit hatten wir positive Erfahrung!
- ASS 100mg 1x taglich (morgens)
- Simvastin/ Zocor 20mg 1x täglich (abends 19 Uhr)
- Bisoprolol/ Convor 5mg 1x täglich (morgens)
- Pantoprazol/ Pantozol 40mg 1x täglich (morgens)
- Paroxetin 20mg (halb morgens)
- Levodopa + Benserazid 200/25mg (0,75 morgens mittags und abends)
- HCT 25mg, 1x täglich morgens
- Eisen Ionen 100mg 1x täglich morgens (Ich denke das war eher wg. seinem Magengeschwür)
- Novaminsulfon 40 Tropfen (morgens, vormittags, Nachmittag, Abend)
Weiter wurde noch Diabetes diagnostiziert, dazu kamen dann noch Injektionen:
- Lantus
- Actrapid
mit den jeweiligen Einheiten die ich oder meine Mutter spritzten.
Mein Vater war noch beweglich, brauchte aber auch täglich Hilfe beim Ankleiden/Ausziehen.
Der Trippelschritt wurde jetzt erkannt, das bestätigte zudem die Diagnose von MP. Trippelschritt hatte er wenn er z.B. schnell mal im Möbelmarkt durch die automatische Kassenschranke/Ausgang musste.
Tremor war unauffällig, eigentlich die ganze Zeit über hatte er nur manchmal ein Zittern in den Händen, was sich aber auch meistens wieder beruhigte.
Alter meines Vaters 78 und höher
Jetzt kamen die Tage wobei sich vermutlich die Anzeichen von Parkinson verstärkten. Orientierungslosigkeit in der Wohnung. Wenn er auf die Toilette wollte, bog er nach links in der Wohnung ab statt nach rechts. Nachts fiel er einige Male aus dem Bett, einmal sogar mit Nasenbluten, da er mit dem Gesicht auf dem Boden landete. Aus dem Fernsehsessel aufgestanden, umgefallen. Gleichgewichtsstörungen.
Dann noch Behandlungen beim Urologen in Starnberg, da er ständig Blasenbeschwerden hatte und auch Blut im Urin. Es wurde ein Ultraschall gemacht, dann ein Blasenkatheter gelegt. Meine Frage an den Arzt: Warum Blasenkatheter und wie lange? Antwort: In dem Alter immer. Frustriert über diese Antwort haben wir die Praxis verlassen.
Tage später saß er wieder in seinem Fernsehsessel und fing auf einmal das Jammern an. Gekrümmt vor Schmerzen frage ich was los sei. Nierenschmerzen, eine Kolik. Krankenwagen, Krankenhaus, Notaufnahme und nun ging der Alptraum für meinen Vater und uns richtig los. Das war das Klinikum in München Pasing:
Ich fuhr gut 1 Stunde später in die Notaufnahme. Mein Vater lag immer noch dort. Es war ihm kalt, keine Decke auf dem Bett, seine Jacke wurde ihm ausgezogen. Ich besorgte eine Decke und schaute mich nach Krankenhauspersonal um. Keiner hatte Zeit, alle huschten nur durch die Gegend.
Da erwischte ich eine Schwester und fragte was nun mit meinem Vater sei? Wüsste sie nicht, der Arzt sei unterwegs. Die Stunden vergingen, mein Vater wechselte von halber Bewusstlosigkeit in Schlaf und zurück; wenn er wach war, schrie er vor Schmerzen.
Nach 4 Stunden Wartezeit wurde ich richtig sauer. Ich stürmte in das Büro der Notaufnahme und forderte, dass mein Vater SOFORT in ein anderes Krankenhaus verlegt wird. Eine weitere Stunde später war dann der Krankentransport da. Jetzt ging es in die Urologische Klinik in Planegg, eine Fachklinik. Dort sollte er die Nacht verbringen, es wurden Schmerzmittel verabreicht, geröntgt, Blasenkatheter neu gelegt. Mein Vater schien erstmal schmerzfrei und schlief die Nacht lang gut. Ich sprach mit dem Personal, wies auf MP hin und was er alles einnehmen sollte.
Am nächsten Tag dann das Gespräch mit dem Arzt: Es sind Nierensteine die entfernt werden müssen und zwar sofort! Er kann aber aufgrund der Blutverdünner keine OP wagen, da das Krankenhaus auch nicht über eine Intensivstation verfügt.
Die Odyssee ging also weiter! Es war geplant, meinen Vater in das Krankenhaus Starnberg zu verlegen und der Krankentransport traf ein. Im Starnberger Krankenhaus die Hoffnung, dass die Nierensteine entfernt werden könnten.
Weit gefehlt: Der Arzt holte mich von meiner Mutter weg und an die Seite: Ja, wissen Sie und in dem Alter… sollten wir eine Behandlung soweit mit Medikamenten einstellen und so dass ihr Vater in Ruhe sterben kann? Ich: NEIN! Das war nicht sein Wille, das hat er nicht verfügt und wir sprechen hier von NIERENSTEINEN und nicht von Krebs im Endstadium! Was war ich sauer!
Der Arzt: Ja, dann müssen wir operieren, aber aufgrund der Blutverdünner (die er jetzt schon 1 Tag lang nicht mehr genommen hatte), können wir nicht operieren. Er schlägt die Verlegung in das Krankenhaus Großhadern vor.
Ich: Ja, aber bitte sofort!
Der Transport kam wieder und er landete im Krankenhaus Großhadern/ München. Die Ärzte dort wollten, dass ich wieder den Mediplan hinterlasse und alle Tabletten mitbringe die er so nehmen soll. Sie hätten zwar alles da, aber für den Fall der Fälle.
Ich brachte die Tabletten, und besuchte meinen Vater am nächsten Tag. Er war immer noch auf Schmerzmittel, hing am Tropf und war angeschwollen, dass ich seine Finger an der Hand nicht mehr erkannte. Sofort einen Arzt ans Bett zitiert, der nach 45 Minuten einmal auftauchte. Die Frage warum er in diesem Zustand ist?
Ja, wir haben die falschen Antibiotika angesetzt, Offenbar hat er eine Allergie. Dazu kommt, dass er nun eine Blutvergiftung hat und eine Niere arbeitet mittlerweile nicht mehr. Frage: Wann operieren Sie? Er: Mal abwarten wie sich der Zustand über Nacht ändert, dann wird er morgen früh operiert. Ich: Sie operieren JETZT, SOFORT! Sonst mache ich das! Ich war außer mir vor Wut!
Der Arzt huschte aus dem Zimmer mit den Worten: Ich veranlasse eine Not-OP. 30 Minuten später wurde mein Vater in den OP geschoben und alles verlief offenbar reibungslos.
Am nächsten Tag wieder zu meinem Vater nach Klinik Großhadern. Arzt: Ja, ihr Vater ist nicht mehr da. Wir haben ihn in die Klinik Barmherziger Brüder nach München verlegt. Wir hatten hier keine Betten in der Intensivstation frei.
Ich ins Auto gesprungen, in die andere Klinik gefahren und dort lag mein Vater auf der Intensivstation im künstlichen Koma, künstlich beatmet und mit allen Geräten wie sich das ein Bergdoktor nur wünscht. Alle seine Sachen waren da, außer seinen Tabletten. Die hatte Großhadern nicht mehr gefunden/verschlampt…wie auch immer. Neuen Mediplan abgeliefert und alle Dokumente.
Mein Vater hatte die OP gut überstanden, alle Nierensteine wurden entfernt, eine Blasenschiene wurde gelegt und neuer Blasenkatheter. Jetzt schoss es mir in den Kopf, dass ich den Urologen in Starnberg feuern muss. Der hatte einen Blasenkatheter gelegt und die Nierensteine trotz Ultraschall nicht diagnostiziert. Was für ein Pfuscher. Der Arzt hat uns nie wiedergesehen.
Tage später wurde mein Vater aufgrund seiner guten Werte wieder aus dem künstlichen Koma geweckt. Er erkannte mich gleich nach dem Aufwachen und lächelte, auch wenn er nichts sagen konnte verstand ich ihn sofort. Er war so erleichtert wieder ohne Schmerzen zu sein.
Ich muss betonen, dass das Barmherzige Brüder /Krankenhaus in München ein prima Personal hat. Auch wenn die ihren Stress haben, die waren immer bemüht und sofort zur Stelle. Vorbildlich!
Tage später holte ich mit meinem Bruder meinen Vater ab und schleppten ihn mit Rollstuhl und zu zweit die Treppen hoch nach Hause. Dort haben wir schon ein Zimmer mit Pflegebett eingerichtet, da er selbst durch die lange Liegezeit alleine nicht mehr laufen konnte.
Tags darauf rief ich alle Therapeuten an, die ich von den Ärzten, Krankenhäusern, Internet und in der Umgebung finden konnte. Ich wollte eine Bewegungstherapie für die Beine meines Vaters und dass er wieder lernt besser zu laufen. Antwort: Ja mein Gott, Kassenpatient, und in dem Alter…da haben wir eigentlich keine Zeit. Es gab eigentlich niemand der hier unterstützen und helfen wollte. Von diesem Tag an war mein Vater an das Bett gefesselt. Er konnte das Laufen nicht wieder lernen. Ein Krankenhaus-Aufenthalt (wieder Barmherzige Brüder in München) stand aber nochmal bevor, denn die Harnschiene sollte getauscht werden.
Getauscht? Nein! Das sind alles Entzündungsherde und die müssen raus, auch der Blasenkatheter. Die Ärzte rieten, diese zu lassen, aber wir lehnten ab. Raus damit!
Das war seine letzte OP und die Narkosen über die Zeiten und Jahre hatten der Parkinson-Krankheit keinen Gefallen getan. Im Gegenteil! Seitdem waren aber die Blutwerte, Urinproben und Werte bestens und mein Vater hatte weder mit der Blase/ Nieren jemals wieder Probleme. Alles Gut – aber es war Spitz auf Knopf und mein Vater wäre beinahe damals schon gestorben. Wegen Nierensteinen und unprofessioneller Ärzte und Krankenhäuser!
Jetzt stellte sich über die Jahre nur noch eine Schwerhörigkeit ein. Auf dem rechten Ohr konnte er fast nichts mehr hören, auf dem linken nur noch, wenn man direkt in sein Ohr sprach. Manchmal dachten wir aber, dass er auch noch gut hören kann (was er hören wollte), denn er reagierte dann auch noch mit Antworten wenn wir weiter weg von ihm gesprochen hatten. Vielleicht war das seine kleine private Taktik bevor wir vorschlugen mal wieder Medikamente zu nehmen ?
Zeit bis zum Sterben
Mein Vater war die ganze Zeit, fast noch 4 Jahre, bettlägerig. Wir hatten zuhause ein Zimmer eingerichtet nur für ihn, mit Bildern seiner Familie umgeben, mit Nachtlicht, mit eigenem TV an der Wand um sich auch tagsüber die Zeit vertreiben zu können. Das Bett war ein elektrisches Krankenbett der Pflegekasse mit Beistelltisch auf Rollen, eine elektrisch/luftgesteuerte Matratze damit man sich nicht wund liegt. Das war alles auch auf sein Körpergewicht eingestellt und wurde jeden Tag auch durch uns und dem Pflegedienst geprüft
.Das funktionierte einwandfrei und meinem Vater ging es mit allen Höhen und Tiefen und MP den Umständen entsprechend gut. Er fühlte sich wohl und sagte das auch oft. Aus dem Bett raus (z.B. in den Rollstuhl) wollte er nur noch ungerne und den Rollstuhl hatten wir dann auch letztes Jahr wieder zurückgegeben.
Tod in 2019
Wir wussten, dass irgendwann die Zeit und der Tag kommen wird. Wir hatten die Hoffnung nie aufgegeben. Obwohl es keine Heilung gibt, nicht bekannt ist warum MP einen trifft – oder nicht, wir wollten die Krankheit aber aufhalten können. Ich denke, dass wir es eine gute Zeit geschafft haben.
Ich erinnere mich an einen Tag wo der Hausarzt noch kam und eine Blutprobe meines Vaters nahm. Routine, da wir das im Abstand von 2-3 Monaten immer vom Arzt machen liesen. Die Ergebnisse waren sonst immer gut, selbst ohne jegliche Medikamente und der Arzt wunderte sich, dass es meinem Vater trotzdem so gut ging.
Diesmal aber kamen die Blutwerte zurück und es wurde festgestellt, dass ein paar Entzündungswerte leicht höher lagen. Leicht höher, nicht kritisch sagte der Arzt, aber dennoch. Das war ca. 10 Tage vor seinem Tod im Juli 2019.
Am Ende hatte mein Vater Probleme mit der Atmung. Sie setzte zeitweise mal kurz aus, er schnappte wieder nach Luft und schlief weiter. Der Arzt hatte vermutet, dass sich aufgrund der Entzündungswerte eine Lungenentzündung einschleichen könnte. Nach Abhören der Lunge war diese aber frei und kein Problem.
Angesprochen öffnete er die Augen, den Mund halb offen, die Augen zur Decke verdreht und wir merkten, das könnte jetzt das Ende werden. Seine rechte Gesichtshälfte war schon wie gelähmt, hing irgendwie einseitig. Wir machten uns die größten Sorgen.
Ich möchte jetzt nicht bis in die letzten Minuten den Vorgang beschreiben, auch nicht um Ängste zu schüren. Aber am nächsten Tag ist mein Vater vormittags ohne Schmerzen, ohne Klagen friedlich eingeschlafen. Zuhause und ohne Schmerzen und so wie er sich zu Lebzeiten immer von seinem eigenen Tod wünschte.
Er war die letzten Tage mit sich selbst in Frieden, das merkten wir alle. Ich weis nicht, ob mein Vater wusste, dass es zu Ende geht. Ich denke eigentlich eher nicht. Soweit ich ihn kannte und seine ganze Zeit über im Krankenstand, wollte er Ruhe, Schlafen, kein Stress…und ich denke das hat er erlebt, gefühlt und erfahren als es zu Ende ging. Und ich bin überzeugt, das dachte er auch in seiner letzten Minute… einfach Ruhe – Schlafen! Er hat es verdient!
Meine Gedanken zu diesem Zeitpunkt waren eigentlich nur die Enttäuschung, dass ich wegen der Krankheit nichts unternehmen konnte. Ich konnte nichts mehr für ihn tun, ich konnte ihn nicht retten, aber ich weiß – es geht ihm jetzt gut!
Die letzten Worte und die Traueranzeigen waren so verfasst und wir dachten sie trifft zu:
Gehofft haben wir gemeinsam, gekämpft hast du alleine, verloren haben wir alle. Was bleibt sind Liebe, Dankbarkeit und unsere Erinnerungen.
.Ergänzende Fragen
– Mit welchen Untersuchungen wurde der Parkinson ermittelt?
CT und auch Tests beim Neurologen (Zuordnung von Bildern, Malen, Schreiben, Bewegung etc)
– Insbesondere: Wurde ein L-Dopa-Test gemacht? Wenn ich es richtig im Kopf habe, sprach Dein Vater nie (oder phasenweise?) auf L-Dopa an.
Ja/Nein. Ich erinnere mich, dass der Neurologe erst ein anderes LDopa probierte (Miramar?) Erinnere mich an den Namen nicht mehr richtig. Dann wurde mit gewechselt und die Dosis erhöht. Nachdem es keine Besserung gab, wurde nach einem guten halben Jahr jedoch die Dosis vom Neurologen gesenkt! Auch keine Besserung wurde er später in der Neurologischen Klinik in München Schwabing neu eingestellt und die Dosis wieder erhöht. Leider nur mit kurzweiligem Erfolg.
– Wenn L-Dopa nie wirkte, war es dann überhaupt MP?
Eine gute Frage. Kann ich nicht beantworten, jedoch kann man darüber nachdenken. Aber ich denke schon und natürlich in Verbindung mit seinen Vorerkrankungen und fortschreitenden Alter. Ich weiß, dass es verschiedene Arten von Parkinson gibt. Mein Vater hatte vielleicht die leichtere Version ohne starken Tremor und stundenlangen Krämpfen/ Unbeweglichkeit.
Außerdem gab es zahlreiche Berichte und Befunde, die auf Parkinson lauteten.
– Hatte L-Dopa wirklich gar keine Wirkung? Man denkt meistens an die Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit. Aber es gibt noch mindestens eine andere, sehr wichtige L-Dopa-Wirkung: Glücksgefühle. Dopamin ist nämlich eines der Glückshormone. Weitere Frage daher: Gab es wahrnehmbare Verbesserungen des „Seelenlebens“?
Doch, das würde ich schon mit Ja beantworten. Zeitweise wurde seine Sprache besser, er redete wieder mehr, war weniger Depressiv. Aber das kann auch durch Rivastigmin verbessert gewesen sein. Deswegen dachten wir, dass das Pflaster gut geholfen hat. Hatte er das Pflaster einmal eine Woche lang nicht, fiel er wieder zurück.
– Wie hat Dein Vater die Diagnose aufgenommen? Kannte er bereits Fälle von MP aus
dem Freundes- oder Familienkreis? Hatte er davor schon von MP gelesen oder gehört?
Nein, er hatte derartiges nicht in der Familie, gehört schon, aber sich nie damit beschäftigt. Wir wissen aber nicht was mit seinem Vater war und wie dieser/an was der gestorben ist. Wir hatten zu seinem Vater/ meinem Großvater zeitlebens keinen Kontakt. Er ging mit der Diagnose gelassen um, vermutlich aber auch weil er nicht wusste was auf ihn zukam. Wenn wir versuchten mit ihm darüber zu reden, hat er eigentlich nur zugehört, aber nie diskutiert oder sich eine Meinung bilden wollen.
Hat er danach noch mehr über MP gelesen?
Nein, nur meine Mutter und ich
– Und insbesondere zur Diagnose: Ich stelle mir also Deinen Vater vor bzw. versuche es:
Da ist jemand mit bereits recht vielen gesundheitlichen Einschränkungen. Alle möglichen
Ärzte sagen alles Mögliche, es gibt darauf jeweils aufbauenden Tablettentherapien – aber
die Probleme bleiben. Nichts wirkt so richtig. Nun kommt man auf MP: Da muss die Diagnose wie so eine Art Glückverheißung gekommen sein: Heureka, endlich haben wir den Übeltäter. War es so?
Ja, wir hatten da schon die Hoffnung, dass wir jetzt etwas dagegen tun können. Dass es nicht geheilt werden kann, war uns bekannt. Aber wir hofften, dass wir es aufhalten könnten, verzögern und dass sich eine kleine bestimmte Lebensqualität wiedereinstellen kann. (Laufen, Orientierung, Gedächtnis, Sprache, Schluckbeschwerden).
Gab es einen Hoffnungsschub?
Ja
– Wie erfolgte die Med-Einstellung? Vermutlich wurde die L-Dopa-Dosis stetig erhöht, solange es keine sichtbare Wirkung gab. Ist das so? Was war die verabreichte maximale Menge?
Ja, es wurde erst gesenkt, dann wieder 2x erhöht. Ob es die maximale Dosierung war, kann ich nicht sagen. Zum Schluss hatte mein Vater resigniert und nichts mehr genommen.
– Gab es andere Medikamente (COMT- oder MAO-Hemmer, Agonisten)?
Kann ich nicht sagen. Ich habe den letzten Mediplan oben gepostet. Ob da was dabei war? Als mein Vater nichts mehr einnehmen wollte, habe ich mich mit den Medikamenten auch nicht mehr weiter beschäftigt.
Und nun zu dem m.E. allerspannendsten Teil: Die „Umkehr“.
– Ob nun mit oder ohne vorhergehendem Hoffnungsschub. Wenn ich es mir korrekt gemerkt habe, war es Dein Vater selbst, der irgendwann beschlossen hatte: Keine Medikamente mehr. Das spricht nicht gerade dafür, dass der Glückseffekt eintrat. Niemand würde doch ein Medikament von sich aus absetzen, das glücklich macht. Deshalb die Frage: Was genau ist passiert? Wie wurden die Medis und insbesondere das L-Dopa abgesetzt? Alle sofort und auf einen Schlag? Oder gestaffelt? Und das alles ohne Arzt?
Ich denke meinem Vater war es nicht bewusst, dass die Medikamente helfen können. Er hatte auch seine „guten“ Momente nie auf die Behandlung durch Medikamente zurückgeführt, sondern eher „Ist halt gerade mal so“. Durch seine Schluckbeschwerden war es für ihn immer eine Qual, die Tabletten zu schlucken. Deswegen fing er mehr und mehr an zu streiken und wollte sie nicht mehr nehmen. Auch im Krankenhaus gab es da immer Probleme, da er die Tabletten von den Ärzten/Schwestern verabreicht nicht mehr nehmen wollte.
Sein Spruch war dann immer: „Nimm sie halt du!“, worauf ich ihm immer antwortete „Ich bin nicht krank, sondern du!“
Wie gesagt, es kam hier dann die Sturheit ins Spiel. Vielleicht oder bestimmt auch durch die Demenz.
Jetzt versuchten wir, meinen Vater zu überlisten und haben die Tabletten alle gemahlen, ihm versucht den Cocktail mit Joghurt vermischt einzugeben. Das hat er gemerkt und sofort wieder alles ausgespuckt.
Er hat aber wegen seiner Krankheit nie angekündigt, dass er keinen Lebenswillen mehr hat, die Tabletten sinnlos wären und er wollte nicht mehr leben. Er wollte am Ende einfach „seine Ruhe“ haben, wie er immer sagte und einfach nicht immer die Tortur mit Tablettenschlucken mitmachen.
Wir haben dem Arzt dann auch mitgeteilt (er machte auch oft Hausbesuche), dass mein Vater nichts mehr nehmen will. Er meinte es ist aber erstaunlich wie gut sich mein Vater hält. Sein Diabetes war nicht mehr bemerkbar und die Werte perfekt. Deswegen gab es nun auch keine Diabetes Medikamente mehr. Den Spiegel/ Blutuntersuchungen machten wir alle 2-3 Monate und es war immer sehr gut.
Aber wir konnten auch meinen Vater nicht zur Einnahme zwingen. Es war eben seine Entscheidung, auch wenn der Grund nicht plausibel war.
– Und nun sind wir bei einem weiteren sehr interessanten Punkt: Wie muss man sich ein Leben als Parki
ohne Medis vorstellen?
Das ist für mich schwer zu beantworten, da ich die Wirkung der Medikamente am eigenen Körper nicht kenne. Für meinen Vater zumindest würde ich sagen: Das war ok…ich werde nicht durch eine Einnahmeroutine ständig erinnert, gequält, ich muss nicht krampfhaft versuchen die Dinger zu schlucken, es schmeckt vielleicht nicht mehr so scheußlich (ich weiß nicht welche Tabletten einen Geschmack haben, oder nicht). Aber das kann durchaus auch ein Grund gewesen sein, dass er sie nicht mehr wollte. Ich denke er war damit glücklich und dass er Ruhe damit hat.
– Wie verliefen offs und ons?
Das war sehr einfach festzustellen. In den On Phasen war er wach, guckte interessiert Fernsehen, hat sich gemeldet, wenn er was brauchte, Hunger/ Durst angekündigt, hat klar gesprochen, hatte Appetit, gelächelt, Witze gemacht.
In den Off Phasen war er ruhig, meist geschlafen, nachts aber auch dann gerne einmal wach gelegen, war zickig mit uns, den Pflegern, wollte sich nicht waschen lassen, hatte keinen Appetit oder nur wenig, Schluckbeschwerden, trank wenig, weinte hin und wieder für ein paar Minuten.
– Wie sah der Tagesablauf aus?
In der letzten Phase, oder die letzten 3-4 Jahre war er bettlägerig. Morgens um 6.00 bis 6.30 kam der Pfleger, waschen, rasieren, Zähneputzen (wollte er zum Schluss auch nicht mehr), Frühstücken, Fernsehgucken, schlafen. Mittagessen war er wieder wach, Mittagessen, Fernsehen, schlafen. Mit dem Essen auf dem Tisch vor dem Bett spielen, Mineralwasser ins Essen kippen und dann essen, Zewa Wisch und weg zerreißen – allen möglichen Blödsinn den man damit machen kann, Pfleger Witze erzählen oder sich wehren wenn es wieder um Rasieren oder Zähneputzen ging…
Eigentlich ein sehr trister Alltag, aber auch wenn ich ihn aus dem Bett holen wollte (was ich früher oft machte), ihn in den Rollstuhl setzen wollte um am Leben teilzunehmen, in der Wohnung/ Balkon zu sein wollte er das eigentlich nicht mehr. Frage: Papa, willst in Rollstuhl und auf den Balkon? Antwort: Nein, lass mich im Bett, ist so schön warm und gemütlich hier.
– Wie schlimm war es für ihn?
Schwer zu sagen. Ich denke da es ihm „gut“ bei uns ging, er alles bekam was er wollte (Essen/Trinken) und vor allem immer, wenn er es wollte. Dann war er zufrieden. In einem Pflegeheim hätte er den Luxus vermutlich so nicht gehabt. Darüber denke ich war er glücklich und ich denke er wusste, dass es im Pflegeheim/Krankenhaus schlimmer ist. Er wollte immer den Kontakt zu uns oder der Familie und keine Fremden um sich haben.
– Aber es war nicht so schlimm, dass er ans „aufgeben“ dachte, also wieder Medikamente zu
schlucken. Oder?
Nein, die Medikamente wollte er nicht mehr. Haut ab damit, sagte er immer, wenn wir es versuchten.
– Welche physischen Probleme erwiesen sich als problematisch? Z.B. die Unfähigkeit zu laufen?
Ich denke das ging ihm schon ab. Oft sagte er: „Ich steh eh gleich auf“ oder er will jetzt gleich zum Tischtennis spielen. Minuten später war es ihm dann klar, dass er das nicht mehr kann.
Auch gab es Unterschiede der Essensaufnahme. Ich habe immer darauf bestanden, dass er selber isst. Also Gabel in Teller, zum Mund, zielen – essen, nachfassen. Einfache Koordination und Übung. Das schaffte er auch noch gut, auch wenn es manchmal Kleckerei gab. Das machte ihm aber auch Spaß und er hatte immer gerne gegessen.
Bei meiner Mutter war es so, dass sie ihn meist gefüttert hat. Das fand ich weniger gut, aber auch wenn ich meine Mutter hinwies, dass er die Übung/Koordination doch beibehalten sollte und besser selber essen soll, war das gegen den Wind gesprochen.
– Gab es Krämpfe, Druck auf der Lunge, Alpträume, Halluzinationen oder sonstige
Entzugserscheinungen?
Ja. Krämpfe hatte er oft in den Beinen. Durch das lange Liegen waren aber die Kniegelenke auch steif, die Muskulatur auch geschwächt. Das bereitete ihm schon hin und wieder Probleme.
Alpträume/Halluzinationen – ja, oft! Ich ging dann auch nachts immer noch oft an sein Bett und rüttelte ihn leicht an der Schulter: Papa! Alles in Ordnung, wir sind da, tut was weh? Was ist los? Er öffnete die Augen, guckte mich an und alles war wieder gut.
Druck auf der Lunge – hat er nie darüber geklagt.
– Selbst wenn er nach Einnahme eines Medikamentes keine Besserung spürte – vermutlich muss er doch negative Auswirkungen nach dem Absetzen gehabt haben – aber trotzdem blieb er dabei?
Ja, ich denke schon, dass es auch kurzfristig Entzugserscheinungen gab. Das hat er meist „ausgeschlafen“. Das war ihm vermutlich nicht bewusst, dass es Entzugserscheinungen geben kann. Oft hat er da einmal eine Woche lang wirres Zeugs geredet und auch Halluziniert. Andere Erscheinungen und Beschwerden hat er nicht berichtet, aber vielleicht gab es da mehr.
Jedoch auch nach Absetzen (und auch zuvor) hatte er Beschwerden mit dem Stuhlgang. Die Anstrengung, Muskeln, Darm – das hat ihm schon zugesetzt und war nicht leicht. Das war immer ein ziemliches Theater.
Weitere Fragen, einfach Fragen
🙂
Danke und viele Grüße
SamM